...hahaha nein, natürlich nicht, meinen tagebüchern gebe ich keine namen mehr, seit ich ca. 18 geworden bin. (eine belustigende tradition, und ein bisschen peinlich berührend spät damit aufgehört)
13.02.2021
Vorhin, nach dem Einkaufen, im Bad, beim Händewaschen, habe ich mein Gesicht im Spiegel betrachtet, und mir sind 2 seltsame Linien aufgefallen, jeweils schräg unter den Augen, vom Auge hin Richtung Ohr, und ich war irritiert, mir war unwohl ängstlich zumute, werden doch keine Sorgenfalten sein? An einer zuerst ungewöhnlich anmutenden Stelle. Auf meiner Stirn z.B. habe ich schon lange einen senkrechte Furche, die sich völlig nachvollziehbar durch etliche konzentriert skeptische Blicke unwiderruflich in meine Haut gräbt. Ich habe dann mein Gesicht zu einem schmerzerfüllten, deprimiert verzweifelten Ausdruck verzogen, nur um zu sehen, ob diese sardonische Fratze Deckungsgleichheit mit den neu entdeckten Linien zeigt, und mir ist es dann durchaus nicht mehr unplausibel vorgekommen. Haben sie sich im Schlaf gebildet? Mir wird nachgesagt, währenddessen bisweilen zu wimmern. Und nicht nur im Hinblick auf meine derzeitige Lektüre von Glavinics Arbeit der Nacht bin ich zögerlich und doch unaufhaltsam in meinem Wissensdrang danach, was ich unbemerkt von meinem wachen Selbst so alles anstelle, bzw was sonst noch unbewusst in mir ablaufen mag.
In einem ausführlichen und mit aufheiterndem Charakter bedachten Selbstgespräch habe ich daraufhin sowohl die allgemeinen als auch die mir persönlich anlassbezogenen Arten des Grams erörtert, philosophisch und psychologisch betrachtet, und nach Möglichkeiten gesucht, diesen Prozess der Faltenbildung zu mildern, während ich mir einen Kaffee aufsetzte und die Einkäufe verräumte. Es ließ mir keine Ruhe, unter beruhigenden Aufmunterungen ging ich zurück ins Bad, um die Stellen auf ein Neues zu inspizieren. Sie verblassten - da fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Es war die Maske. Das Filtering Face Piece Stufe 2 hat Abdrücke hinterlassen, die sich nun dank des noch vorhandenen Kollagens in meiner Haut ebneten. Ich war erleichtert. Und ich war dankbar für mich selbst, denn ich habe mich gut um mich gekümmert, und das Gespräch mit mir selbst hatte trotz nichtigen Anlasses seine selbstliebende, nachhaltige Bewandtnis. Und ich war amüsiert, ich erinnerte mich, dass der unmittelbar erste Impuls nach Entdeckung im Spiegel war, ein Kunstprojekt daraus zu machen, die Falten mit Kajal oder ähnlichem nachzumalen, um mit dem Verwelkungsprozess einen kreativen Pakt zu schließen, indem ich sie vereinnahme und explizit hervorhebe.
<insert Silence of the Lambs reference here>
Es war befreiend, die Trauer, den Schmerz, den Gram, und davon gezeichnet zu sein, als Teil des Lebens anzunehmen. Zuviel davon ist jedoch unbedingt kritisch zu behandeln/betrachten. Ich hatte interessante Gedanken, sage ich. Ich bin so cool. Heirate mich.
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(teilweise grammatikalisch angepasst und mit nachträglichen gedanken erweitert, die ich bereits beim tagebuchschreiben hatte und nicht festgehalten habe, im wesentlichen jedoch unberührt; mir fällt auf, dass meine haltung zum altern nicht ohne widerspruch ist; damit kann ich leben, haha)
klick hier für ein schönes lied! #spreadloveinstead
von der großartigen wiener band "lelkem" - ungarisch für "meine seele";
(selbstbeschreibung "engineers of modern laments" - fancy-pancy für "heulsusen-prog-rocker")
(I obviously luv it)